ESSAY-BRIEF

Essay-Brief Oktober 2021

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Bewusst atmen

© Bernd Helge Fritsch

 

Bewusst atmen, das Tor zum Licht

 

Das Yoga-Sutra des Patanjali

Schon Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung haben im alt-indischen Kulturkreis spirituelle Lehrer ihren Schülern spezielle Atemübungen (Sanskrit Pranayama) zur Förderung von Achtsamkeit und meditativer Versenkung empfohlen. Der indische Gelehrte Patanjali wird als „Vater des Yoga“ bezeichnet, weil er als Autor des klassischen Yoga-Leitfadens, genannt „Yoga-Sutra“, gilt. Über die Person des Patanjali ist wenig bekannt. Seine Lebenszeit wird zwischen dem 2. Jahrh. v. Chr. und dem 4. Jahrh. n. Chr. vermutet.

Ziel des Yoga (Sanskrit: yoga - "Vereinigung“, „Verbindung"), dieser rund 5000 Jahre alten indischen Philosophie, ist die Befreiung des Menschen von allen mentalen Abhängigkeiten und Verirrungen, sowie seine Wiedervereinigung mit dem göttlich-allumfassenden Sein.

Yoga wird von Patanjali als achtgliedriger Entwicklungs-Weg dargestellt. Pranayama (Atemkontrolle) spielt dabei, neben Körper-Übungen (Asanas), Konzentration und Meditation, eine wesentliche Rolle.

Das Wort Pranayama setzt sich zusammen aus den Sanskrit-Begriffen „Prana“ (Lebensenergie oder Atem) und „Ayama“ (Kontrolle, Erweiterung). Patanjali geht davon aus, dass wir durch fortdauernde Atembeobachtung und spezielle Atemtechniken in Verbindung mit den anderen, von ihm empfohlenen Übungen, unser Denken und Fühlen entscheidend beeinflussen und damit unser Bewusstsein zu höchsten Stufen erweitern können.

Anapanasati Sutra

Vermutlich schon vor Patanjali hat Siddhartha Gautama Buddha (563 – 483 v. Chr.), der ebenfalls dem indischen Kulturkreis zugehörig war, auf die besondere Wirksamkeit des Bewusst-Atmen hingewiesen. Zu seinen bedeutendsten Lehrreden zählt das „Sutra des bewussten Atems“ (Anapanasati Sutra). Zur Geschichte dieses Sutra wird uns überliefert, dass Buddha zu „jener Zeit“ im Ort Savatthi (Hauptstadt des indischen Königreiches Kosala) in einem großen Park weilte. Hunderte Bhikkhus (Schüler) hatten sich eingefunden um den Worten des Erleuchteten zu lauschen. Zu ihnen sprach er:

„Bhikkhus, die Methode den Atem vollkommen

bewusst wahrzunehmen wird,

wenn sie beständig entfaltet und geübt wird,

reiche Früchte tragen und großen Nutzen bringen…“

 

Buddha erläutert sodann wie Atem-Achtsamkeit entwickelt und fortlaufend geübt werden kann, sodass diese Übung „großen Nutzen bringt“. Er gibt dazu seinen Schülern insgesamt 16 Anweisungen worauf sie beim Ein- und Ausatmen besonders achten sollen.

 

Die wesentlichen will ich hier kurz zusammenfassen:

 

Wenn du dich näher mit dem Anapanasati Sutra auseinandersetzen willst, empfehle ich dir das Buch „Das Wunder des bewussten Atems“ des buddhistischen Lehrers Thich Nhat Hanh.

Auswirkungen des bewussten Atmens

Bewusstes Atmen begleitet mich seit vielen Jahrzehnten auf meinem spirituellen Weg. Ich verwende dabei keinerlei Atem-Technik oder besondere Übungen. Ich halte sogar solche Methoden, wie zum Beispiel in einem bestimmten Takt aus- oder ein-zu atmen und den Atem anhalten, von denen ich einige praktiziert habe, für psychisch und gesundheitlich bedenklich. Der Mensch sollte nicht mutwillig in die Weisheit und Vollkommenheit des natürlichen Atemvorgangs eingreifen. Auch stärkt jedes derartige Wollen und Suchen unser Ego.

Einfach nur den Geist (die Gedanken) auf den Atem zu lenken bewirkt bereits eine wohltuende und heilsame Entspannung. Automatisch ist damit ein Loslassen von unnötig kreisenden Gedanken, Sorgen und Problemen verbunden. Beobachte ich meine Gedanken, so kehre ich ein in die zeitlose Gegenwärtigkeit. Sofort fühle ich mich eins mit dem allumfassenden Sein.

Den Atem zu beobachten erleichtert uns das Meditieren. Denn mit dieser Achtsamkeit stoppen wir unser rastloses Denken. Bedenke dabei, dass im Grunde Meditation nur das Verwirklichen von „Nicht-Denken“, dass Meditation einfach nur „glückselig im Sein zu verweilen“ bedeutet.

Negative, irreführende Denkgewohnheiten, die zum Teil schon in unseren Genen veranlagt sind oder uns von Kindheit an anerzogen wurden, werden sich durch ihre Beobachtung, in Verbindung mit bewusstem Atmen, auflösen. Nichts Neues wird dabei gewonnen, denn unser wahres Wesen besteht – wie schon vor Jahrtausenden die indischen Meister erkannt haben – aus „Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit“ (Sat, Chit und Ananda). Durch bewusstes Atmen beseitigen wir nur hinderliche Denk- und Verhaltensmuster.

Unser Atemvorgang ist eng mit unserer Psyche, mit unserem Gefühls-Leben und auch mit unseren Körperfunktionen verbunden. So führen beispielsweise Stress und Angst zu einer flacheren und schnelleren Atmung. Panik oder Erschrecken können plötzliches Luftanhalten oder auch Hyperventilieren verursachen. Umgekehrt löst Achtsamkeit auf den Atem Anspannung, Stress und sonstige negative und ängstliche Gefühle auf.

 

Einige gesundheitliche Auswirkungen der Atembeobachtung:

Sie

 

Unser Atem ein Symbol göttlichen Wirkens

In der Luft, die wir ein- und ausatmen, manifestiert sich das „Eine“, das „Göttliche“ im Vergleich zu sonstigen materiellen Erscheinungen in feinster und direkter Weise. Deshalb gilt in vielen Religionen der Atem als ein Symbol der Wirkkraft Gottes.

In diesem Sinne schildert die Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes  (1 Mose 2:7) wie Gott dem ersten Menschen mit seinem eigenen Atem Leben einhaucht:

„Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß,

und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase.

Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“

 

Je öfter wir daher bewusst atmen, desto tiefergehend wird unser göttliches, glückseliges „Sein“ von uns verwirklicht. Entscheidet ist dabei unsere konsequente, fortlaufende Achtsamkeit.

Wir benötigen dazu keinen besonderen Zeit-Aufwand, denn die bewusste Atmung können wir jederzeit, auch während vieler unserer täglichen Erledigungen, praktizieren. Wenn Denken im Verlauf unseres Tages erforderlich ist, so kehren wir danach, ehest möglich wieder zur Atembeobachtung zurück. Bald wird sich herausstellen, dass durch regelmäßiges Nicht-Denken, unser notwendiges Denken viel effizienter wird. Auch werden wir unsere Aufgaben wesentlich leichter, freudiger und effizienter erfüllen. Und so wird uns Achtsamkeit auf den Atem, wie Buddha sagt, wunderbar schöne Früchte bringen.

 

Viel Freude dabei wünscht dir

mit herzlichem Gruß

Bernd

 

P.S.: Würde mich sehr über eine Rückmeldung von dir zu diesem Thema freuen!